Was für eine tierische Region! (Teil 2)
Zu Besuch im Wildpark Waldhaus Mehlmeisel und bei der Straußenfarm Mitterhof
Magische Anziehungskraft üben Kerstin Franks Schuhbänder auf die Straußenküken aus.
Wer sich in der Oberpfalz und im nahen Umfeld auf die Suche nach Erlebnissen mit Tieren begibt, stößt auf ein breites Angebot. Deshalb haben wir eine Serie über exotische Tiere in der Region gestartet. Für den zweiten Teil haben wir die Straußenfarm Mitterhof in Waldsassen und den Wildpark Waldhaus Mehlmeisel besucht. Weitere Teile folgen - Tipps für weitere Orte, die wir besuchen können, sind erwünscht.
Es wuselt. Kurze, aber erstaunlich kräftige Beine staksen um uns herum. Sie werden einmal so lang werden, dass sie einem durchschnittlich großen Menschen bis zur Brust reichen - und Löwen töten können, auch wenn man das beim Anblick der Straußenbabys der Straußenfarm Mitterhof in Waldsassen kaum glauben kann.
“Igel auf Stelzen” nennt Matthias Frank, der den Hof mit der gesamten Familie Frank bewirtschaftet, die erst 7 bis 14 Tage alten Küken scherzhaft. Das trifft es sehr gut, denn das gescheckte Federkleid der Küken ist gar nicht mal so wuschelig, wie es aussieht. Es piekst sogar ein bisschen.
Kerstin Frank, der Frau von Matthias Frank, zupfen während des Gesprächs zwei Küken übereifrig an den Schuhbändern. “Na, habt ihr sie schon wieder aufgekriegt?” Kerstin Frank ist gelassen. Und füttert die “Igel auf Stelzen” mit frisch geschnittenen Brennnesseln. Da stehen die Küken drauf, alle kommen direkt angestakst.
“Ihre Pflege ist recht aufwändig. Wir können sie nicht alleine lassen und sie fressen Unmengen von Brennnesseln. Bei Regen müssen sie rein, bei gutem Wetter können sie raus”, erzählt Kerstin Frank. Ganze zehn Zentimeter wachsen die Küken im Moment - pro Woche.
Igel auf Stelzen - was denn sonst?
Betrachtet man die Beine der Küken, muss man an Mini-Dinosaurier denken. Und liegt damit gar nicht so falsch: “Die haben sich seit Jahrmillionen nicht verändert”, erzählt Kerstin Frank im Stall der erwachsenen Tiere. Da traut man sich nicht so leicht rein wie in die kleine Absperrung mit den Küken. Die Straußen-Eltern sind riesig, wesentlich größer als die Menschen, die sie besuchen. Die Tiere sind mit Vorsicht zu genießen. Wer zu nah ran geht, riskiert Blessuren.
“Die picken aus Neugierde. Es tut ein bisschen weh, gibt einen blauen Fleck, ist aber ansonsten harmlos”, so Kerstin Frank. Gefährlich wird es, wenn die Tiere nach vorne treten, um sich zu wehren. “In Afrika werden Löwen durch Strauße getötet. Da ist richtig Power dahinter.” Die muskulösen Beine lassen keinen Zweifel an der Wucht eines Trittes.
Eines der erwachsenen Tiere ist besonders groß und unterscheidet sich von den anderen durch rote Beine und einen roten Schnabel. Aamun ist der Chef-Hahn der Sträuße auf der Farm. “Der ist voll in der Balz”, sagt Kerstin Frank. “Die rote Färbung kommt vom Testosteron.”
Respekt einflößend, allein schon wegen der Größe und der kräftigen Beine: die erwachsenen, rund fünf Jahre alten Strauße der Farm. Beim dunklen Hahn sind deutlich die vom Testosteron rot gefärbten Beine zu sehen.
Auf der Straußenfarm hat es nach dem Start vor eineinhalb Jahren jetzt zum ersten Mal Eier gegeben. Ein Ei entspricht in etwa 25 Hühnereiern und kann rund sechs Personen satt machen. Geschmacklich könne wohl nur ein Gourmet Hühner- und Straußeneier voneinander unterscheiden, aber Straußeneier würden oft auch Allergiker vertragen, so Kerstin Frank. Die Eier sind aber nicht das einzige, das von den Straußen verwertet wird.
“Straußenleder ist eines der teuersten Leder überhaupt”, erzählt Kerstin Frank. 6.000 bis 8.000 Euro koste etwa eine Handtasche. Die Federn werden als Deko-Artikel oder Staubwedel verarbeitet und in der Autoindustrie zum Polieren verwendet. Die Sehnen werden in der Herzchirurgie eingesetzt.
Die Franks allerdings züchten ihre Tiere hauptsächlich wegen der Eier, des Fettes und Fleisches. “Das Fett ist nicht am Fleisch dran, sondern separat, zum Beispiel auf der Brust und im Bauchraum. Es ist ganz rein und hat keine Konservierungsstoffe drin”, so Kerstin Frank. Es wird zu Seife verarbeitet und wurde schon von Hildegard von Bingen gegen Hautkrankheiten wie Neurodermitis und Insektenstiche empfohlen. Deshalb verkaufen es die Franks auf ihrem Hof und die Schwestern in der Zisterzienserinnen-Abtei Waldsassen.
Und das Fleisch? Momentan schlachten die Franks noch nicht, aber ein EU-zertifiziertes Schlachthaus auf dem Hof ist bereits geplant. Und es haben sich schon Köche gemeldet, die Interesse an dem Fleisch hätten.
Auf dem Mitterhof, der früher zur Abtei gehörte, gibt es noch viel zu tun. “Die Schwestern haben den Hof bis 1967 betrieben. Er war einer der größten Höfe in der Oberpfalz”, erzählt Matthias Frank. Später haben die Schwestern den Betrieb eingestellt und den Hof verpachtet. Bevor die Franks den Hof, den die gesamte Familie betreibt, gekauft haben, stand er drei Jahre lang leer. Entsprechend aufwändig ist das herrichten der denkmalgeschützten Gebäude. Deren Kern stammt aus dem 16. bis 17. Jahrhundert.
Eineinhalb Jahre ist es her, dass die Franks die Idee hatten, den Hof zu übernehmen. Sie kommen selbst aus Waldsassen und wollten dem Verfall der Gebäude nicht länger zusehen. Von Anfang an spielten dabei die Strauße eine Rolle.
“Meine Mutter macht einen Kurs zur Erlebnisbäuerin”, erzählt Matthias Frank. Ziel des Kurses ist es, Besuchern wie etwa Schulklassen den Hof zu präsentieren. Es gibt neben den Straußen bereits zwei Esel, Kaschmirziegen, Lamas und Alpakas. Dazu eine Feuerstelle und ein seit dem Frühjahr fertiges Farm-Café mit kleinem Shop, das jeden Sonntagnachmittag geöffnet hat.
Die Straußenfarm Mitterhof entwickelt sich stetig weiter. Es bleibt spannend, vielleicht noch für viele Jahre. “Die Tiere können 60 bis 65 Jahre alt werden. Wenn kein Löwe dazwischen kommt”, sagt Matthias Frank.
Eckard Mickisch mit seinem “Hirsch-Handy”.
Ganz gleich ob Wildkatze, Luchs, Wildschweine, Rot- oder Rehwild: Eckard Mickisch weiß ganz genau, wie er seine Wildtiere aus dem Gehölz locken kann. Und sie hören auf ihn. Als der Betreiber des Wildpark Waldhaus Mehlmeisel in sein “Hirsch-Handy” - eine orangefarbene Gießkanne - bläst, raschelt es wenige Sekunden später im Gebüsch. Zuerst kommt ein Reh neugierig des Weges gelaufen, dann folgt Ludwig, ein Rothirsch mit prächtigem Geweih.
Beide haben ein bestimmtes Ziel: den Futternapf, in den Futter rieselt. “Der Ludwig hat momentan einen Körperbau wie ein Hängebauchschwein”, kommentiert Eckard Mickisch grinsend. Weil es gut für die Geweihbildung ist, haben Ludwig und Co. eine Menge Sonnenblumenkerne gefuttert. Man sieht’s, nicht nur am Geweih.
Nur wenige Meter weiter hat gerade der Rehbock Franzl seine auserwählte Geiß getrieben, kreuz und quer durchs Unterholz. “Das macht er so lange, bis die Geiß nicht mehr kann”, erklärt der Betreiber des Wildparks. “Irgendwann läuft sie dann im Kreis. So entstehen die sogenannten Hexenkreise.” Gemeint sind die “mystischen” Kreise in Getreidefeldern.
Franzl ist handzahm. Aber das heißt nichts: “Ein handzahmer Rehbock ist schlimmer als ein bissiger Hund”, erzählt Eckard Mickisch. Denn die Tiere sehen den Menschen als Konkurrenz. Es besteht tatsächlich die Gefahr, vom Geweih aufgespießt zu werden. Aber der Wildpark hat sich dagegen eine pfiffige Lösung einfallen lassen: “Wir halten uns die Tiere mit einer Super Soaker vom Leib.”
Mit Hilfe dieser Wasserpistolen mit Tank wurden die Tiere auch gegen Parasiten im Fell behandelt: Das Mittel wurde einfach auf die Tiere gespritzt. Dieses Vorgehen ist so gut, dass es bald auf einem Ärztekongress als innovative Idee vorgestellt wird.
Gemächlich kauendes Rotwild im Wildpark Waldhaus Mehlmeisel. Übrigens: Rot- und Rehwild sind nicht dasselbe. Man kann sie nicht kreuzen, sie haben unterschiedliche Brunftzeiten, werden unterschiedlich groß. Eckard Mickisch: “Die sind wie Hund und Katze. Aber das wissen viele Leute nicht.”
Fressfeinde Seite an Seite
“Bei uns leben Rehwild und Luchs Seite an Seite, obwohl sie eigentlich Feinde sind”, sagt Eckard Mickisch. Die eigentlichen Stars im Wildpark sind nicht die Hirsche und Rehböcke. Es sind Charles und Diana. Wobei, auch sie stehen inzwischen nur noch auf Platz zwei, denn ihre zwei Jungtiere stehlen ihnen seit Mai 2015 die Show. Es geht natürlich um die Luchse im Wildpark.
Luchs Charles auf dem Dach der Felsenhöhle.
“Der Schutzinstinkt ist sehr ausgeprägt bei den Luchsen”, warnt Eckard Mickisch. Momentan tolerieren die Tiere laut seinem Mitarbeiter einen Abstand von drei Metern, aber man müsse immer ein Auge auf sie haben. “Wenn Charles nicht ausweicht, muss man um ihn herum gehen.” Einer der Wildpark-Mitarbeiter befindet sich im Gehege der Raubkatzen. Was wir zunächst nicht sehen: Charles hat uns längst entdeckt und schleicht direkt unter uns am Zaun entlang, während wir die Hälse Richtung Höhle ausstrecken. Wir hoffen auf einen Augenblick mit den Babys.
“Wir wollen, dass die Luchse rauskommen, aber wir wollen sie auch nicht zu stark konditionieren.”
Die Luchse werden gezielt, aber vorsichtig gefüttert. “Wir wollen, dass die Luchse rauskommen, aber wir wollen sie auch nicht zu stark konditionieren, weil das sonst eine Gefahr für die Jungen darstellt.” Der Mitarbeiter im Gehege lockt Charles mit einem Stück Fleisch an einer Greifzange durchs Gehege. Hinauf auf ein paar schräg stehende Baumstämme vor unserer Nase. Wir beobachten die Szene vom sicheren Ausguck aus. Charles klettert und springt flink umher. Er ist ein wendiges Muskelpaket, das einen Baum mühelos mehrere Meter hinauf klettern kann. “Acht Meter in vier Sekunden”, weiß Eckard Mickisch. Es gibt sogar einen Baum mit entsprechender Markierung auf jedem Meter Höhe, mit einer selbst erdachten Futterangel davor. Wieder so eine pfiffige Idee von Eckard Mickisch. “Schlepp-Reiz-Angel” nennt er diese Erfindung.
Nach den Klettereinlagen von Charles lockt der Mitarbeiter Diana aus ihrer Höhle, ebenfalls mit Fleisch. Sie nimmt es sich, probiert, hält es dann demonstrativ vorm Höhleneingang im Maul und lässt es etwas baumeln. “Wir beschäftigen uns jeden Tag mit den Tieren”, erzählt Eckard Mickisch. Er kann daher ziemlich genau vorhersagen, was als nächstes passieren wird. Und er hat Recht: Die Babys tapsen aus der Höhle und holen sich ihre Happen. Dann geschieht noch etwas Besonderes: Charles nähert sich einem Baby, geht ganz nah heran. Und das Jungtier tapst zum Vater und “bockelt” mit ihm: Die zwei stoßen zur Begrüßung ihre Köpfe zusammen. “Das ist selten”, sagt Eckard Mickisch beeindruckt. “Das ist das erste Mal, das ich es gesehen habe.”
Eines der Jungtiere wird dauerhaft im Wildpark bleiben, das zweite wird zum Jahresanfang 2016 abgegeben. Wohin, weiß Eckard Mickisch noch nicht. Aber es gibt schon eine Anfrage aus Österreich, verrät er.
Wilde Katzen und schwimmende Wildschweine
Im nächsten Gehege wohnen Cäsar und Cleopatra, zwei Wildkatzen. “Jede Tierart ist auf ein anderes Geräusch konditioniert”, erzählt Eckard Mickisch. Das Wild aufs “Hirsch-Handy”, die Luchse auf ein Pfeifen, Cleopatra und Cäsar auf ein Klicken. Auch über ihrem Gehege gibt es eine “Schlepp-Reiz-Angel”, mit einer toten Maus dran. “Was nutzt mir ein Gehege, wenn ich da Futter reinschmeiße und die Tiere sich den ganzen Tag verstecken, am Ende an Herzverfettung sterben und niemand hat sie gesehen”, fragt Eckard Mickisch. “Wir wollen sie in natürlicher Umgebung zeigen, mit natürlichem Verhalten wie Springen.” Cleopatra schnappt nach ein paar Versuchen so schnell nach der Maus, dass man es mit bloßem Auge kaum erkennen kann. Diese Tiere sind sehr scheu, “unnahbar”, sagt der Wildpark-Betreiber. In der Natur werde man ihnen kaum begegnen.
Nicht gerade zimperlich geht es zu im Wildschweingehege. Es sieht zunächst leer aus, doch auch hier hat Eckard Mickisch die Bewohner im Griff. Er ruft, und eine ganze Rotte grunzender, aufgeregter Wildschweine kommt angelaufen. Samt vier Monate alten Frischlingen.
Wenn die Semmeln durchs Gehege fliegen, flitzen die Wildschweine hinterher. “Da kocht das Wasser”, ruft Eckard Mickisch, als mehrere Schweine auf der Jagd nach Semmeln durch die große braune Pfütze pflügen. Nur die kleinen Frischlinge haben das Nachsehen: Sie können noch nicht schwimmen.
Und was wäre dieses Gehege im Wildpark, hätte es nicht eine Erfindung von Eckard Mickisch zu bieten: ein “Futter-Hör-Riech-Rohr”. Durch dieses rieselt Futter auf einen großen Stein, um den sich sofort Schweine in allen Größen versammeln. “Hier kriegen auch die Futter, die noch kein Seepferdchen haben”, grinst Mickisch. Dorothea, eine der dicken und schon etwas ergrauten Sauen, macht sogar Männchen, wenn über ihr eine verlockende Semmel baumelt.
Lauscht man oben am Rohr, ist ein lautes Schmatzen zu hören. “So hört sich das an, wenn ihr den Mund beim Essen nicht zumacht”, erklärt Mickisch Schulkindern an dieser Stelle. Ihm zufolge soll man sogar am oberen Rand des Rohres den Mundgeruch der Schweine riechen können. Getestet haben wir das lieber nicht.
Erich und Kalli
Es gibt noch viel mehr zu sehen im Wildpark Waldhaus Mehlmeisel. Wer sichergehen möchte, dass er möglichst viele der Tiere zu sehen bekommt, sollte eine Führung mitmachen. Diese finden im Sommer mit Fütterung zwei Mal am Tag statt (nähere Informationen dazu auf der Website). Eckard Mickisch ist in seinem Element, wenn er von seinen Tieren erzählen kann. So auch am Gehege von Dachs Erich und Fuchs Kalli. Eine Schulklasse gesellt sich dazu und es dauert nicht lange, bis alle Kinder aufmerksam zuhören. “Erich steht volle Kanone auf Bananen, Kalli auf Fleisch”, erzählt er.
Und während der Dachs gierig die Leckerli-Schale abarbeitet, äugt der Fuchs scheu aus einem Rohr - doch auch er traut sich, fix ein Leckerli zu schnappen, bevor er wieder im Rohr verschwindet. Nebenan wohnen Rocky und Bubi, zwei Waschbären. Die Schüler folgen Mickisch zu deren Gehege. “Der Waschbär sieht schlecht. Er hat fünf Finger und ertastet alles. Unter Wasser sieht das so aus, als würde er waschen. Daher der Name. Aber eigentlich müsste er Tastbär heißen.”
Zu Teil 1 unserer Serie “Tierische Region”
Welche Stationen dürfen wir für die weiteren Teile der Serie auf keinen Fall verpassen? Wo kann man in und um die Oberpfalz herum exotische Tiere bewundern? Wer hält vielleicht welche zu Hause und möchte sie herzeigen? Schicken Sie uns Ihre Tipps an redaktion@oberpfalznetz.de - wir freuen uns!
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